Inflation ist die grausamste Steuer

Eine Betrachtung unseres finanzpolitischen Sprechers Klaus-Peter Voigt, BfB Neumünster:

Wenn in den 90’er über den Wert stabiler Preise und die Kosten der Inflation geschrieben wurde, interessierte das kaum jemand, denn die Inflation war niedrig und die Arbeitslosenzahlen hoch. Bis 2020, also bis zur Corona-Krise, herrschte in vielen Ländern Preisniveaustabilität. Der 20-jährige Durchschnitt der Inflationsrate belief sich in Deutschland auf 1,5%, in der Eurozone auf 1,7%.

Bis zum Sommer letzten Jahres entsprach dies der Definition der EZB „unter, aber nahe 2%“. Dann passte die EZB jedoch ihre Strategie an und definierte die mittelfristige Preisniveaustabilität als einen Durchschnitt von 2%, was ein eindeutiges Signal dafür war, dass sie in Zukunft signifikant höhere Raten tolerieren würde. Das Bewusstsein über den Nutzen niedriger Inflationsraten ging offensichtlich verloren. Kaum war die Katze aus dem Sack, stiegen die Inflationsraten kontinuierlich und erreichen nunmehr in der Eurozone und Deutschland Raten von rund 8 %. Plötzlich ist klar, dass Inflation ihren Preis hat.

Was sind die Kosten von Inflation und wer ist am meisten betroffen?

Man kann zwischen ökonomischen und nicht-ökonomischen Kosten unterscheiden. Zu den zweitgenannten gehört die Gefahr der Aushöhlung der Demokratie, gepaart mit einem möglichen Verfall der Moral. Dies basiert auf der Tatsache, dass Schuldner zu den Gewinnern der Inflation gehören und bei ausufernder Verschuldung und Inflation die Gefahr einer politischen Radikalisierung steigt.

Je höher die Preissteigerungen, desto größer werden die Schwankungen der Inflationsraten. Dadurch werden sowohl die Haushalte als auch die Unternehmen verunsichert, da es zunehmend schwieriger wird, zwischen einer normalen Verschiebung der relativen Preise und dem allgemeinen Inflationsprozess zu unterscheiden. Dies verhindert den optimalen Einsatz von Gütern sowie Arbeitskräften und kann zu Fehlentscheidungen führen.

Inflation führt zu negativen Umverteilungseffekten: Verlierer der Inflation sind insbesondere die Lohnempfänger und Gläubiger sowie alle Bezieher nominal festgelegter Einkommen. Eine Anpassung erfolgt in der Regel erst mit zeitlicher Verzögerung, wenn die Geldentwertung schon weit fortgeschritten ist. Dies gilt auch für Empfänger staatlicher Sozialleistungen, wenn diese nicht an die Inflation gekoppelt sind- so wie in Deutschland üblich. Je höher die Inflation und je seltener die nominale Anpassung der Leistungen erfolgt, desto höher sind die Kosten der Inflation. Deshalb spricht man bei der Inflation auch von der grausamsten Steuer, da sie insbesondere die sozial Schwachen trifft und keine Ausweichreaktion erlaubt.

Inflation senkt den Realwert derjenigen Vermögenswerte, die auf einen festen Geldbetrag lauten. ln Kombination mit den seit Juni 2014 negativen Einlagezinsen erreichen die Realzinsen nunmehr historische Tiefststände, d.h. die Inflation ist deutlich höher als der Zins. Dies führt zu einer Umverteilung vom Sparer zum Kreditnehmer. Da Spareinlagen die typische Anlageform breiter Bevölkerungsschichten ist, tragen diese einen großen Teil der lnflationskosten.

Aber auch der Steuerzahler ist ein lnflationsverlierer. Da das deutsche Steuersystem keiner Indexierung unterliegt, führt die Inflation dazu, dass die Steuerzahler mit inflationsbedingt höheren Nominaleinkommen entsprechend höheren Steuersätzen unterliegen. Diese kalte Progression erhöht den Realwert der Steuerschuld und reduziert das real verfügbare Einkommen. Darüber hinaus werden konstante Freibeträge und Abzüge von der Bemessungsgrundlage entwertet, wodurch ein weiterer Progressionseffekt ausgelöst wird.

Der Staat ist somit ein lnflationsgewinner, während Unternehmen und Haushalte auf der Verliererseite stehen. Nicht nur die EZB, auch der Staat ist somit gefordert, für Erleichterung zu sorgen.