Die Großen kaufen die Kleinen zu Spottpreisen auf

Eine Betrachtung unseres finanzpolitischen Sprechers Klaus-Peter Voigt

Die Großen fressen die Kleinen – wann wehrt sich der Mittelstand endlich? Immer
mehr Mittelständlern geht in der Krise das Geld aus. Die Großen freut´s – sie kaufen die Konkurrenz zu Spottpreisen auf.

Während China seine Wirtschaft wiederbelebt, droht in der Eurozone eine Insolvenzwelle unbekannten Ausmaßes. China könnte schon bald auf eine „große Einkaufstour“ in der Eurozone gehen, um insolvente europäische Firmen „zu retten“. Die Bundesregierung muss handeln. In der Eurozone droht der große Ausverkauf. Nicht alle sind also unglücklich über eine Insolvenzwelle in Europa, im Gegenteil. Das gilt allerding nicht nur für chinesische Konkurrenten, sondern für alle Konzerne und Fonds, die auf hohen Cash-Beständen sitzen. Und es gibt momentan einige, die über extrem hohe Liquiditätsbestände verfügen. Denn in allen Krisen gilt: Cash is King!

Je strenger die Lockdowns sind, desto schlimmer ist der Wirtschaftsabsturz. Für das vierte Quartal 2020 wurden die Prognosen für die Eurozone wegen der zweiten Lockdown-Welle von führenden Wirtschaftsforschungsinstituten um 4,9% nach unten korrigiert. Statt eines Wachstums von 2,7% gegenüber dem Vorquartal soll die Euro-Wirtschaft nun um 2,2% zurückgehen. Und was das erste Quartal 2021 angeht: Die Ökonomen erwarten wegen der Lockdowns jetzt nur noch ein sehr schwaches Wachstum von 0,7% gegenüber dem Vorquartal. Daher ist es kein Wunder, dass viele Experten für den Euroraum 2021 mit einer Pleitewelle und Problemen für die Banken rechnen. Insgesamt lässt sich konstatieren: Man sieht an diesen Zahlen die dramatische Auswirkung von Lockdowns auf das Wirtschaftsleben.

Kleine und mittelgroße Unternehmen stellen bei uns über 70% aller Arbeitsplätze. Laut einer KfW-Umfrage vom September rechnet mehr als jedes zweite Unternehmen auch für 2021 mit einem Umsatzrückgang. Die Corona-Krise gefährdet mehr als eine Million Arbeitsplätze bei mittelständischen Firmen, das Gastgewerbe und Freiberufler kämpfen ums Überleben. Insgesamt könnten die Erlöse um deutlich mehr als eine halbe Billion (545 Mrd.) Euro einbrechen. Darüber hinaus seien vor allem junge und kleine Unternehmen sehr angeschlagen. Zahlreiche Branchenverbände schlagen Alarm. Es gehe inzwischen ums Überleben zehntausender Kleinbetriebe. Eine Gegen-Strategie der Bundesregierung ist nicht erkennbar.

Angesichts dieser schlimmen Lage und insbesondere der trostlosen Aussichten für hunderttausende von Selbständigen, kleinen und mittleren Unternehmen, stellt sich die Frage: Warum protestieren bislang die Wirtschaftsvertreter so wenig? Warum drängen die Unternehmer nicht einmal auf eine nennenswerte öffentliche Diskussion über die Verhältnismäßigkeit oder Angemessenheit der getroffenen Maßnahmen?

Das liegt zum einen an der ökonomischen „Appeasement-Politik“, der Beruhigungspolitik, die seit März in historisch nie dagewesenem Ausmaß betrieben wird. Stichworte sind KfW-Kredite, Umsatzentschädigung, Kurzarbeitergeld, Mehrwertsteuersenkung, Aussetzen der Insolvenzpflicht usw. Die deutsche Regierung gibt 2020 und 2021 zusammen knapp 1.500 Mrd. Euro Beruhigungsgeld aus, das entspricht etwa 30% vom Bruttosozialprodukt. Das ist historisch einzigartig. Sehr viele Betroffene werden geradezu zugeschüttet mit Geld. So sichert man sich die Zustimmung vieler Betroffener (und gleichzeitig auch politische und mediale Befürwortung): Man überhäuft die gefährdeten Unternehmen mit Geld – stopft ihnen sozusagen den Mund mit Geld.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum so wenig Proteste aus Wirtschaftskreisen kommen. Denn es gibt große Profiteure eines Unternehmen-Massensterben. Nicht alle sind über Massenpleiten von Selbständigen, kleinen und mittleren Unternehmen unglücklich, beispielsweise chinesische Einkäufer, die solide Mittelständler in Krisenzeiten sehr preiswert erwerben können. Aber nicht nur die Chinesen freuen sich über eine Pleitewelle im deutschen Mittelstand. Infolge der Lockdowns fressen die Großen die Kleinen, und zwar sehr bequem und vor allem äußerst günstig. Deshalb gab und gibt es auch keinen nennenswerten Widerstand seitens der einflussreichen Großunternehmen und Kapitalgeber gegen die Lockdown-Politik – im Gegenteil. Die Lockdowns arbeiten den Großunternehmen – Stichwort Amazon -, den Milliardären, den großen Kapitalien, Hedge-Fonds und denjenigen, die jetzt auf viel Liquidität sitzen, in die Hände. Dazu kommt: Die Großunternehmen wissen ganz genau, dass sie im Zweifelsfall von der Regierung gerettet werden, nach dem Motto „too big to fail“, zu groß, um pleitezugehen, Beispiel Lufthansa. Man kann davon ausgehen, dass die Lufthansa, auch nachdem sie ihre Finanzreserven verbrannt hat, nicht pleitegehen wird. Summa summarum: Für Großkonzerne gibt also kaum Grund, gegen Lockdowns zu protestieren.

In jeder Krise gilt das Prinzip „Cash is King“. Je schlimmer der Absturz, desto wichtiger ist Cash, ist Liquidität, um bei sinkenden Umsätzen zu überleben. Das wissen die wichtigen und großen Player. Für fast alle Großunternehmen und Großinvestoren, die jetzt auf hohen Liquiditätsbeständen sitzen, sind Lockdowns ein Segen, bieten sie doch die einmalige Chance, Konkurrenten billig aus dem Weg zu räumen. Die Großen werden in nie dagewesenem Umfang die Kleinen fressen. Je mehr Angst in den Medien geschürt wird, desto länger und strikter werden die Lockdowns. Jeder Tag zusätzlicher Lockdown führt mittelfristig zu zusätzlichen Milliardengewinnen der großen Akteure, insbesondere der Multimilliardäre. Je schlimmer die Lockdowns, desto stärker wird die Markbereinigung, desto größer wird der Machtzuwachs bei einer vergleichsweise kleinen Gruppe von Superreichen, denen die großen Konzerne ganz oder doch zumindest zu großen Teilen gehören. Die Kombination aus Lockdowns und Angst sind ein Segen für die Großkonzerne und die hinter ihnen stehenden Superreichen, sie bieten ihnen eine geradezu einmalige Chance, mit der Konkurrenz richtig aufzuräumen.

Der deutsche Mittelstand ist das Bauernopfer, das von unseren opportunistischen Politikern offenbar gerne und willig für die Großkonzerne, genauer: für deren Eigentümer, erbracht wird. Wenn sich der Mittelstand nicht bald entschieden wehrt, wird es ihn in dieser Form nicht mehr lange geben.

Fazit: Lockdowns und die von den Verantwortlichen praktizierte Politik der Angst verursachen mehr Schaden, als sie Nutzen bringen, selbst unter Einrechnung der Todesfälle, denn die vielen aufgeschobenen OPs und Prophylaxe-Untersuchungen werden unserer Gesellschaft in den kommenden Jahren noch sehr viel Leid verursachen und ganz konkret Lebensjahre kosten. Dazu kommt die vor uns liegende Insolvenzwelle und die ganze damit verbunden Tragik. Dabei gehen ja nicht nur Unternehmen zu Grunde, werden ja nicht nur wirtschaftliche Existenzen zerstört: Die Familien, die Kinder der Bankrott gegangenen Selbständigen und der arbeitslos gewordenen Angestellten werden in hohem Maße in Mitleidenschaft gezogen. Das sind Folgeschäden, die sich erst in vielen Jahren, vielleicht erst in Jahrzehnten zeigen – und die deshalb die Politik, die ja vor allem kurzfristig denkt (Stichwort: Wiederwahl), kaum interessieren.

Um es nochmal zusammenzufassen: Die Verhältnismäßigkeit ist bei uns nicht gewahrt. Natürlich müssen Anti-Corona-Maßnahmen ergriffen werden. Das heißt: Social Distancing ja, Schutz der besonders Gefährdeten ja, Verbot von Menschenansammlungen ja. Aber harter Lockdown, Schulschließungen, gar noch Industrie-Schließungen: vollkommen unverhältnismäßig.