Hohe Hürden für Fraktionen und Bürgerbegehren

Kommentar von Klaus-Peter Voigt zur Gesetzesänderung zu Fraktionsgrößen und Bürgerbegehren

Die Mindest-Fraktionsstärke für Kommunalpalarmente ab 31 Mitgliedern wurden im Landtag SH mit der Mehrheit von CDU und Grüne von 2 auf 3 Mandate erhöht. Ebenso werden die Neuregelungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden das Beteiligungsrecht der Bürger einschränken. Mit der Einschränkung von Rechten schreckt die Koalition Menschen ab und erschwert die kommunalpolitische Arbeit. Noch mehr Streit statt Zusammenarbeit wird die Folge sein.
Die Wählergemeinschaft Bündnis für Bürger (BfB) lehnt die Einschränkung der kommunalen Demokratie in Schleswig-Holstein wie sie die Landesregierung betreibt entschieden ab. Die kommunale Arbeit wird in Zukunft sehr viel schwerer, wenn man jetzt drei Mitglieder für eine Fraktionsbildung benötigt. Die Problemlagen werden sich sogar verschärfen. Denn die Parteienzersplitterung wird auch nach der Wahl anhalten.
In Neumünster kandidieren zur Kommunalwahl am 14. Mai 2023 sieben Parteien, vier Wählergemeinschaften und ein Einzelbewerber. Somit werden wir dann viele Ratsmitglieder haben, die zwar nicht in Ausschüssen abstimmen, aber ihr Rederecht in den Sitzungen wahrnehmen werden. Also werden diese Sitzungen nicht kürzer oder leichter. Und sehr wahrscheinlich werden diese Ratsmitglieder dann ihre Anträge in der Ratsversammlung stellen. In Zukunft werden die Ratsversammlungen daher noch viel länger und noch chaotischer werden. Damit wird das Gegenteil von dem erreicht, was CDU und Grüne erreichen wollten.
Noch problematischer bewertet das BfB allerdings die Einschränkung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Völlig ohne Not schränken CDU und Grüne die Möglichkeiten der Bürgergehren in Schleswig-Holstein ein. In Zukunft soll das Quorum der notwendigen Unterschriften erhöht werden und die Kommunalvertretungen können viel schneller und leichter als jetzt Entscheidungen von Bürgerbegehren rückgängig machen.

Fraktionsstärke in Kommunalparlamenten ab 31 Mandate

Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2008 (Aktenzeichen 2 BvK 1/07) ist die von Bundes- und Landtagswahlen bekannte 5%-Sperrklausel abgeschafft. Leitsatz des Urteils ist: „Nur die mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungsorgane kann die Fünf-Prozent-Sperrklausel rechtfertigen.“ (Ziffer 125).

In Kommunalvertretungen wird ein wesentlicher Teil der Arbeit in Ausschüssen geleistet und die Plenarsitzungen der Kommunalvertretungen dort vorbereitet. Das Stimmrecht in Ausschüssen ist an die Mitgliedschaft in einer Fraktion geknüpft; fraktionslose Kommunalvertreter können lediglich beratende Ausschussmitglieder werden. Daher würde die Einführung einer Fraktionsmindeststärke von drei Kommunalvertretern kleinere Parteien oder Wählergemeinschaften benachteiligen.

Eine Fraktionsmindeststärke von drei Kommunalvertretern ab der Größe einer Kommunalvertretung von 31 Mitgliedern entspräche einer faktischen Sperrklausel zur Gründung einer Fraktion von fast 10%.

Wenn der Wegfall der 5%-Sperrklausel die Funktionsfähigkeit einzelner Ausschüsse nicht beeinträchtigt, ist die Argumentation der beeinträchtigten Funktionsfähigkeit für die Einführung einer faktischen Sperrklausel von nahezu 10 % hinfällig.

Die Begründung des Gesetzentwurfes von CDU und Grünen führt „eine zunehmende Belastung des kommunalen Ehrenamts, insbesondere durch sehr lange Sitzungen der Vertretungen“ als Begründung für die Neuregelung an. Allein die Länge einer Sitzung kann jedoch nicht als „Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit“ angesehen werden – zumal die Länge einer Sitzung weniger von der Anzahl der Fraktionen als vielmehr von der Anzahl der zu behandelnden Tagesordnungspunkte abhängt.

Es bleibt unbestimmt, inwieweit der Gesetzesentwurf die „Funktionsfähigkeit [der kommunalen Vertretungsorgane] stärken soll“. Dies rechtfertigt nicht die von CDU und Grüne in SH beschlossene Regelung.

Einschnitte bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

Die angestrebten Neuregelungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden schränken das Beteiligungsrecht der Bürger ein. Seit der letzten Reform wurden in Schleswig-Holstein in den zurückliegenden neun Jahren in den 1106 Gemeinden im Durchschnitt 20 Verfahren jährlich eingeleitet. Zur Abstimmung kamen im Schnitt knapp 10 Verfahren und von diesen gingen etwa zwei Drittel im Sinne der Initiatoren aus, so dass insgesamt nur durchschnittlich 7 Entscheidungen in 1106 Gemeinden tatsächlich abgeändert wurden! Wenn man dies bedenkt, fragt man sich wirklich warum CDU und Grüne dieses demokratische Mitwirkungsinstrument für die Bürgerinnen und Bürger erschweren wollen. Das BfB sieht die Bürgerentscheide nicht als eine Belastung für die repräsentative Demokratie an, im Gegenteil. Mit dem von CDU und Grünen beschlossenen Gesetz hat zum ersten Mal ein Bundesland die Möglichkeit der Durchführung von Bürgerentscheiden wieder eingeschränkt.
Konkret heißt das: Bürgerbegehren gegen Bauleitplanungen sind künftig ausgeschlossen, wenn sie von einer Kommunalvertretung mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurden. Und erst nach zwei Jahren ist es möglich, ein Begehren erneut zu starten. Die angestrebten Änderungen werden dazu führen, dass Bürgerbegehren gegen die Mehrheit einer Kommunalvertretung kaum noch möglich sein werden. Zum einen würde die Frist für die Einreichung der Unterschriften von 6 Monaten auf nur 3 Monate halbiert, zum anderen müssten außerdem in diesem kürzeren Zeitraum bis zu 33% mehr Unterschriften gesammelt werden.
Es geht doch in der Kommunalpolitik vor allem darum, dass Menschen mit einer Minderheitsmeinung sich Sichtbarkeit verschaffen können, dass also gerade jene, die sich in der Öffentlichkeit nicht ausreichend widergespiegelt sehen, ihrem Anliegen eine Chance auf Repräsentation verschaffen.
CDU und Grüne in SH haben mit diesem Beschluss der Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Sie haben kleineren Parteien und Wählergemeinschaften die demokratischen Mitbestimmungsrechte teilweise genommen. Im Volksmund nennt man so was einen Anschlag auf die Demokratie. Statt die Demokratie zu stärken, werden die „größeren“ Parteien zu Lasten von Minderheiten mit noch mehr Macht und Möglichkeiten ausgestattet.